Eine marktgerechte Unternehmensbewertung ist bei Anwendung des Bewertungsgesetzes nahezu unmöglich. Mit der Erbschaftsteuer-Reform von 2009 wurde auch die Bewertung von Betrieben grundsätzlich verändert: Seitdem gilt der Verkehrswert – also der am freien Markt erzielbare Verkaufspreis. Dies hat zur Konsequenz, dass Familienunternehmen entweder ein Gutachten anfertigen lassen müssen oder das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden können. In einer Stellungnahme kritisiert der DIHK die bisherige Vorgehensweise und fordert im Zusammenhang mit der Neuregelung der Erbschaftssteuer ebenfalls eine entsprechende Korrektur des Bewertungsgesetzes.
Das derzeitige Bewertungsrecht berücksichtigt nicht die engen vertraglichen Bindungen von Familienunternehmen im Hinblick auf Gewinnverwendung und Bindung finanzieller Mittel im Unternehmen oder auch bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Damit wird ein Kapitalabfluss aus den mittelständischen Unternehmen verhindert, was der Sicherung von Arbeitsplätzen förderlich ist. Außerdem verhindern derartige Gesellschaftervereinbarungen kurzfristiges Gewinnstreben und dienen so der Nachhaltigkeit des Unternehmens. Als Ergebnis der derzeitigen Bewertungspraxis ergeben sich laut DIHK unrealistische Verkehrswerte und damit nicht marktgerechte Unternehmenswertungen. Während dies nach aktuellem Erbschaftssteuerrecht noch durch Verschonungsregelungen ausgeglichen wird, sei zukünftig mit einem spürbaren Nachteil aufgrund der Besteuerung eines Teils des Betriebsvermögens zu rechnen.
Marktgerechte Unternehmensbewertung durch Gesetzeslage nicht sichergestellt
Anstelle eines Bewertungsgutachtens benutzen viele Familienunternehmen aus Kostengründen das vereinfachte Ertragswertverfahren für die Ermittlung des Verkehrswerts, bei dem ein Kapitalisierungsfaktor aus dem Basiszinssatz der Bundesbank abgeleitet wird. Während dieser Faktor bei Einführung des Verfahrens 2008 noch bei 11 lag, ist er zwischenzeitlich aufgrund der gefallenen Zinsen bei 18,2 angelangt. Trotz seiner Einfachheit führt das Verfahren im aktuellen Zinsumfeld zu völlig überhöhten Verkehrswerten. Am Beispiel eines ländlichen Einzelhändlers mit einem Gewinn nach Steuern und fiktivem Unternehmerlohn von 55.000 EUR ergibt sich ein Wert im Millionenbereich.
Auf der Grundlage des aktuellen Kabinettsentwurfs zur Erbschaftssteuer wird die gesetzliche Unternehmensbewertung laut DIHK zu einem potentiell existenzgefährdenden Problem für viele Familienunternehmen. Aus diesem Grund fordert der DIHK zeitgleich mit der Anpassung der Erbschaftssteuer eine Korrektur des Bewertungsgesetzes, die die Verfügungsbeschränkungen beim Betriebsvermögen im Rahmen der Bewertung berücksichtigt und darüber hinaus den Kapitalisierungsfaktor so anpasst, dass sich auch bei niedrigen Zinsen keine überhöhten Mondpreise und damit marktgerechte Unternehmensbewertungen ergeben.
Unternehmenswertgutachten von Finanzbehörden akzeptiert
Aktuell ist das Ertragswertverfahren ein von der Wirtschaft, den Kammern und vor allem den Finanzbehörden akzeptiertes Verfahren zur Definition einer möglichst marktgerechten Unternehmensbewertung. Diese Methodik bestimmt den Unternehmenswert, indem es die Ergebnisse der Vergangenheit um Sondereffekte bereinigt und nachfolgend eine möglichst plausible Entwicklung des Unternehmens prognostiziert. Damit ist ein schlüssiges Wertgutachten eine gute Alternative zur im Bewertungsgesetz definierten Methodik.
“Die marktgerechte Unternehmensbewertung führt in der Konsequenz meist zu einer geringeren Steuerbelastung der Erben und erhält somit finanzielle Spielräume für zukünftige Investitionen”, sagt der Frankfurter Berater für Unternehmensnachfolge Thomas Dörr. Nach seiner Erfahrung lassen sich von den Finanzbehörden akzeptierte Ertragswertgutachten mit realistischen Annahmen ohne größeren finanziellen und zeitlichen Aufwand erstellen. Diese Investition in eine marktgerechte Unternehmensbewertung zahlt sich oftmals allein durch die niedrigere Steuerforderung des Finanzamtes bei Übertragung des Unternehmens auf die nächste Generation aus.
Die vollständige Pressemitteilung des DIHK finden Sie hier.
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