Learnings aus einem Generationswechsel ohne externer Begleitung – ein Praxisbericht.
Eine Unternehmensübergabe – egal, ob es sich um einen Unternehmensverkauf oder um einen Generationenwechsel innerhalb der Familie handelt – ist immer ein höchst individueller Weg. Manche erfahrene Unternehmer sind der Überzeugung, dass man ein derartiges Projekt ohne Probleme selbst durchführen kann. Wie sich dann aber oft herausstellt, ist eine externe Begleitung in einem solchen Prozess hilfreich und sinnvoll.
Erst kürzlich wurden wir bei einem eigentümergeführten Familienunternehmen hinzugeholt, da es im Übergabeprozess zu einigen Problemen gekommen ist. Unsere Aufgabe ist, die, durch den in „Eigenregie“ durchgeführten Übergabeprozess, aufgetretenen Problemfelder aufzuarbeiten und eine zukunftsträchtige Lösung zu finden.
Der Generationswechsel - die Ausgangssituation
Als der geschäftsführende Gesellschafter seinen 55. Geburtstag feierte, hatte er vor den knapp 250 Mitarbeitern mitgeteilt, dass die Kinder nach seiner Pensionierung das Unternehmen übernehmen werden. Er habe vor über 25 Jahren das Unternehmen gegründet und der Fortbestand sei für ihn eine ganz wichtige Motivation für das weitere, unternehmerische Handeln. Das Bewusstsein war beim Eigentümer somit bereits sehr früh vorhanden. Beide Kinder waren nach ihrer Schul- und Studienausbildung ins elterliche Unternehmen eingetreten und haben dort umgehend Führungspositionen eingenommen.
Die Jahre vergingen und der Eigentümer erkannte, dass aufgrund der Unternehmensgröße nicht alle Aufgaben von der Geschäftsführung alleine wahrgenommen werden können, sondern die Führungsmannschaft verbreitert werden muss. Somit wurde kurzerhand eine zweite Führungsebene etabliert, womit formal klare Führungs- und Verantwortungsstrukturen (Vertrieb, Technik und kaufmännische Leitung) geschaffen wurden.
Jedes Jahr wurde bei unterschiedlichen Mitarbeiterveranstaltungen seitens des Eigentümers immer wieder darauf hingewiesen, dass die Kinder die Nachfolge antreten werden. Jedoch war operativ nichts davon zu merken. Die Kinder waren unverändert in ihren Tätigkeitsbereichen tätig. Formal wurde eines der Kinder als zusätzlicher Geschäftsführer installiert, das zweite Kind wurde zum Einzelprokuristen ernannt. Somit wurden zwar die formellen Schritte gesetzt, aber inhaltlich hatte sich nichts geändert: zur Entscheidung anstehende Themen wurden immer dem „Seniorchef“ vorgelegt, auch wenn diese vom Nachfolger hätten entschieden werden können. Eventuell war es den Kindern bzw. den Mitarbeitern der neu etablierten Führungsebene ganz angenehm, Entscheidungen nicht selbst treffen zu müssen; sie forderten auch diese Verantwortung nicht ein. Und dem Eigentümer war es nicht unangenehm, er agierte unverändert als Eigentümer und Geschäftsführer, als hätte es keine Änderungen gegeben.
8 Jahre später…
Nach rund 8 Jahren nach der ersten publizierten „Nachfolgeregelung“ erfolgte dann mit 63 Jahren die Pensionierung des geschäftsführenden Gesellschafters. Die Funktion des Geschäftsführers hatte er zurückgelegt - das eine Kind war nun Alleingeschäftsführer. Der „Senior“ blieb jedoch in der Eigentümerfunktion und kam unverändert jeden Tag ins Büro. Er war unverändert in seiner alten Rolle als Geschäftsführer und lebte diese tagtäglich aus.
Mit zunehmender Fortdauer dieser Konstellation gab es insbesondere von den beiden Kindern ein zunehmendes Unbehagen, dass zu einem immer konfliktträchtigeren Umfeld führte. Nach weiteren knapp 2 Jahren wurden wir dann für eine Aufarbeitung der verfahrenen Situation hinzugezogen.
Welche Fragen stellen Sie sich, wenn Sie die oben angeführte, kurze Darstellung lesen?
Ein paar Punkte - und das nur exemplarisch - fallen hier auf:
Beschäftigen Sie sich rechtzeitig mit dem komplexen Projekt “Generationswechsel und nehmen Sie sich ausgiebig Zeit!
Wie im Beispiel erwähnt, war der Umstand, das Unternehmen in der Zukunft einmal zu übergeben, dem Übergeber durchaus bekannt und bewusst. Jedoch ist das Thema mit einer „verbalen Ankündigung“ alleine noch lange nicht abgeschlossen! Machen Sie sich klar, was es für Sie als Übergeber bedeutet, wenn das Unternehmen und somit Ihre Verantwortung abgegeben wird! Was wollen Sie danach machen? Wie sieht dann Ihre Lebensplanung aus?
Sorgen Sie dafür, dass die Kinder ausreichend Erfahrung im beruflichen Kontext sammeln können!
Wir versuchen als Eltern immer, unseren Kindern vieles zu ermöglichen. Im oben angeführten Beispiel war dies auch der Fall, die Kinder konnten umfassende Ausbildungen an renommierten Universitäten absolvieren. Was jedoch nicht geschehen ist, dass die Kinder auch außerhalb des elterlichen Unternehmens Praxis sammeln konnten. Lassen Sie also Ihre Kinder in einem „fremden Universum“ Unternehmertum erlernen! Leider ist nicht mehr bekannt, was die ursprüngliche Intension für diese Entscheidung war. Im Nachhinein sagte mir jedoch der Eigentümer im Vertrauen, dass er dies künftig anders machen würde.
Machen Sie sich als Übergeber rechtzeitig entbehrlich!
Im Rahmen eines Übergabeprozesses ist es wichtig, dass Sie als Übergeber dafür sorgen, dass das Unternehmen nicht von Ihnen abhängig ist! Dies mag teilweise eine schmerzliche Erkenntnis sein – aber Ihr Unternehmen muss auch ohne Sie funktionieren! Im gegenständlichen Fall hat der Eigentümer diesen Umstand erkannt: er etablierte aus erfahrenen Mitarbeitern eine zweite Führungsebene mit klaren Zuständigkeiten. Aber: eine derartige Neuorganisation macht auch nur dann Sinn, wenn man den Mitarbeitern – und hier auch den beiden Kindern – die entsprechenden Kompetenzen einräumt und nicht weiterhin selbst entscheidet! Und wenn die Mitarbeiter zu Ihnen kommen und einen Rat wollen: delegieren Sie die Aufgabe wieder zurück, sie sollen auch selbst Entscheidungen treffen und mit den Konsequenzen umgehen lernen. Dann einen Rat zu geben, ist absolut sinnvoll! Somit sind wir bei einer nächsten Konsequenz:
Sorgen Sie für klare Verantwortungen und lassen Sie es zu, dass diese auch übernommen werden!
Auch wenn es Ihnen sehr schwerfällt: es ist erlaubt, dass Ihre Nachfolger oder wie im gegenständlichen Fall auch die zweite Führungsebene selbst Fehler machen! Jeder Mitarbeiter, unabhängig, ob ein Firmenmitarbeiter oder ein Familienmitglied, kann an den eigenen Fehlern lernen und dadurch wachsen.
Darüber hinaus können noch viele weitere Themenbereiche angeführt werden, die an diesem Beispiel gut für mögliche Hürden genannt werden können.
Sie wollen wissen, wie die Angelegenheit ausgegangen ist?
Nach rund 5 Jahren, nachdem der Eigentümer als Geschäftsführer in Pension gegangen ist, haben die Nachfolger in einem durchaus konfliktträchtigen Umfeld sich ihre Verantwortungsbereiche „erkämpft“; der Alt-Geschäftsführer ist unverändert Eigentümer, aber im Tagesgeschäft kaum mehr präsent.
Bei einer strukturieren Unternehmensnachfolge mit einer professionellen Begleitung hätte man sich so manchen „emotionalen“ Umweg ersparen können: Deshalb: holen Sie sich Unterstützung, ein Generationswechsel ist alles andere als ein einfaches Projekt!
Bild: canva.com
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