Schweizerische Experten bestimmen den Wert eines Unternehmens grundsätzlich nicht anders als ihre ausländischen Kollegen. Sie würdigen die Substanz und Ertragskraft oder wählen zwischen einer vergangenheits- oder mehr zukunftsorientierten Sicht. Dennoch kennt die Schweiz mit der Praktiker-Methode eine interessante Variante, um Unternehmen zu bewerten.
Wer kennt nicht die Situation: Ein Kaufinteressent erstellt für ein Bieterverfahren ein Angebot und bestimmt sorgfältig den Wert des Kaufobjekts. Seiner Meinung nach stellt seine Zahl den Wert fair dar. Er staunt nicht schlecht, als der Verkäufer den Vorschlag abrupt zurückweist: Das Angebot vernachlässige wichtige Positionen der Bilanz.
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Unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Bewertungsmethoden
Jede Bewertung geht von Prämissen und Interessen der Beteiligten aus. Wer das ausblendet, spricht darum nicht immer vom Gleichen. In der Folge schleppen sich Verhandlungen hin oder scheitern. So beharren Verkäufer häufig auf den Vermögenswerten im Betrieb. Stolz weisen sie auf Maschinen, moderne Fertigungsräume oder Patente – auf den Betrieb schlechthin. Die Käuferseite hingegen sieht zuerst die Ertragskraft. Mit den Erträgen von morgen bezahlt sie den Kaufpreis von heute. Das Vermögen ist deshalb nicht Selbstzweck, sondern Mittel für die Rentabilität.
Schweizer Kompromiss: Substanz- und Ertragswert in einer Methode
Dieses Spannungsfeld lässt sich aufweichen, wenn die Kriterien Substanz und Ertrag methodisch in einer Bewertung zusammenfinden. Darum verfolgt die in der Schweiz vielfach eingesetzte Praktiker-Methode diesen Ansatz. Sie ist «praktisch», nachvollziehbar, einfach zu rechnen und berücksichtigt Substanz und Ertrag gewichtet.
Der Praktiker-Wert entspricht dem Drittel der gewichteten Summe aus beiden Grössen. Der Substanzwert wird dabei einmal und der durchschnittliche Ertragswert doppelt gerechnet. Varianten sind zulässig und tragen individuellen Besonderheiten Rechnung. Somit steht am Ende nicht die eine «richtige» Zahl, sondern Spannbreiten. Wer zum Beispiel die Ertragskraft stärker hervorheben will, rechnet den Ertragswert dreimal ein. Wer eine dynamische Entwicklung voraussieht, verwendet für den Ertragswert Ist- und Planzahlen. Höhere oder tiefere Kapitalisierungssätze erlauben weitere Abstufungen.
Fazit: Warum in der Schweiz die Praktiker-Methode beliebt ist:
- Die Methode ist verständlich, und einfach zu rechnen. Sie lässt jederzeit Spielraum für Varianten.
- Schweizerische Behörden verwenden sie mangels einer amtlich vorgeschriebenen Methode regelmässig, wenn sie Unternehmen bewerten. Sie ist somit glaubwürdig.
- Sie ist inklusiv und kompromissfähig, indem sie mehrere Bewertungskriterien würdigt. Das erleichtert (Preis-)Verhandlungen. Jeder fühlt sich angesprochen; kein Argument dominiert einseitig.
- Sie nimmt Befindlichkeiten gerade von kleineren Unternehmen mit Vermögenswerten auf. Ihre Inhaber verstehen mit Mühe, warum ihre Substanz nicht explizit in die Rechnung einfliesst.
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